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Preisentwicklung und Fachkräftesicherung machen 2022 zur Herausforderung für das Handwerk
 

Präsident der Handwerkskammer Kassel Frank Dittmar

„Das Handwerk ist überraschend gut in dieses Jahr gestartet, sogar besser als das 2021 der Fall war, trotz Ukrainekrieg, hohen Energiekosten, gestörten Lieferketten und Rohstoffknappheit sowie den immer noch spürbaren Auswirkungen der Corona-Pandemie“, beschrieb Frank Dittmar, Präsident der Handwerkskammer Kassel, die aktuelle Lage des Handwerks anlässlich der 143. Vollversammlung, die im Haus der Kirche in Kassel stattfand. „Diese positive Entwicklung wird nach wie vor hauptsächlich von den Bau- und Ausbau-Handwerken getragen“.

Allerdings bereite die aktuelle Preisentwicklung bei Rohstoffen, Materialien und Energie allen Betrieben große Sorgen: „Der Anstieg der Einkaufspreise setzt alle Handwerksbranchen mächtig unter Druck. Am stärksten betroffen sind die Nahrungsmittel-Handwerke, die Bau- und Ausbau-Handwerke so-wie die Zuliefer-Handwerke.“ Das zweite große Problem der Betriebe, so der Kammerpräsident weiter, sei die Sicherung von Nachwuchs- und Fachkräften. Schon heute fehlten in den meisten Handwerksunternehmen die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, um alle Aufträge halbwegs zeitnah abzu-arbeiten. „So ergibt sich trotz der positiven Konjunkturentwicklung zu Jahresbeginn eine Gemengelage, die das Zeug hat, für alle Handwerksbetriebe zu einer sehr großen Herausforderung zu werden.“ Deshalb werde die Kammer sowohl die wirtschaftlichen als auch die gesellschaftlichen Entwicklungen ganz genau verfolgen und deren Auswirkungen auf die Betriebe weiter im Blick behalten.

Vor allem der Nachwuchs- und Fachkräftemangel dürfte sich angesichts der Zielvorgaben der Bundesregierung für die Klimawende, des demografischen Wandels und der anhaltend hohen Studierneigung junger Menschen, deutlich verschärfen, befürchtet Dittmar. „Vor diesem Hintergrund macht es sich die Politik zu einfach, wenn sie meint es reiche, nur die entsprechenden Förderprogramme aufzulegen und die Sicherung der Fachkräfte den Unternehmen zu überlassen. Das ist eine gesamtgesellschaftliche Aufgabe.“

Deshalb brauche es neben der Klima-, Energie- und Verkehrswende auch eine Bildungswende. „Wir brauchen wieder mehr Wertschätzung für die duale Ausbildung. Die Politik muss die berufliche Bildung gleichwertig zur akademischen Bildung behandeln. Sie muss sie finanziell gleichwertig unterstützen und fördern. Wenn endlich anerkannt wird, dass das Handwerk für die Modernisierung und Transformation Deutschlands unverzichtbar ist, dann wird es auch für junge Menschen wieder attraktiv, ein Handwerk zu erlernen und stolz darauf zu sein.“

„Unsere Betriebe nehmen ihre Ausbildungsverantwortung jedenfalls in dem Maße wahr und ernst, wie es ihnen angesichts der herausfordernden Situa-tion möglich ist“, fuhr Dittmar fort. „So konnten wir Ende März einen Zu-wachs an neu abgeschlossenen Ausbildungsverträgen verzeichnet, der im Vergleich mit dem Vorjahr um die 20 Prozent lag.“ Abzuwarten bleibe, ob diese Entwicklung so weitergeht, sagte der Kammerpräsident, der die Betriebe gleichzeitig aufrief, in ihren Ausbildungsanstrengungen nicht nachzulassen.

„Nur gemeinsam mit der Wirtschaft kann die Klimawende gelingen“, konstatierte Dittmar weiter. „Die Unternehmen stehen in den Startlöchern oder haben sich schon auf den Weg gemacht, klimaschonend und ressourcenspa-rend zu arbeiten und zu produzieren. Das heißt, sie setzen auf technologische Innovationen, die in der Regel besser sind als reine Verbote.“ Die Be-triebe bräuchten praktikable und keine ideologischen Lösungen.

Die Klimawende könne nur mit einer florierenden Wirtschaft gelingen, denn die Kassen der öffentlichen Haushalte seien nach zwei Jahren Corona und den Folgen des Ukraine-Kriegs leer. „Klimaschutzmaßnahmen müssen bei aller Dringlichkeit immer ökonomisch und auch sozial ausgewogen sein, Energie muss für alle bezahlbar bleiben muss.“ Eine weitere Verteuerung würden weder Betriebe noch die Mehrheit der Verbraucher verkraften.

Weiter formulierte Dittmar noch eine andere Forderung des Handwerks: „Angesichts der aktuellen Krisen brauchen wir schnelle, mutige und konse-quente Schritte beim Bürokratieabbau mehr denn je. Vorschläge gibt es genug. So muss zum Beispiel Bauen schneller, unkomplizierter und günstiger werden.“

Erfreuliche Nachrichten vermeldete Hauptgeschäftsführer Jürgen Müller, der der Vollversammlung berichten konnte, dass die Zahl der Handwerksbetriebe in Nord,- Ost- und Mittelhessen im Jahr 2021 von 16.849 auf 17.135, also um 1,7 Prozent gestiegen ist. Auch bei den im vergangenen Jahr abge-schlossenen Ausbildungsverträgen verzeichnete die Kammer ein leichtes Plus von 2.621 auf 2.706. Gleiches gilt für die Zahl der Meisterprüfungen, die von 417 auf 458 wuchs. „In der Folge“, resümierte Müller abschließend, „blieb auch die Beratung der Kammer 2021 auf hohem Niveau gefragt“.