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Virtuelles Kraftwerk gegen Netzschwankungen
 

Das Kasseler Fraunhofer-Institut koordiniert in einem Forschungsprojekt etwa 20 Wind- und Solaranlagen in ganz Europa

KASSEL. Weht der Wind, können Windkraftanlagen Strom erzeugen, bei einer Flaute gibt’s keinen Strom. Solaranlagen liefern nur tagsüber Strom. Das führt dazu, dass die Einspeisung von Strom durch erneuerbare Energien mitunter sehr schwankt.

Ein virtuelles Kraftwerk am Fraunhofer-Institut für Windenergie und Energiesystemtechnik (IWES) in Kassel soll das jetzt ändern. Das virtuelle Kraftwerk ist ein Leitsystem, das durch die Verknüpfung von vielen Wind- und Solarparks in Deutschland, Frankreich und Portugal die Schwankungen bei der Einspeisung ins Stromnetz ausgleichen soll. So erklärt es Andreas Liebelt, der am Fraunhofer IWES den deutschen Teil des europaweiten Projekts „REStable“ leitet. „Je mehr Anlagen an verschiedenen Standorten angesteuert werden, desto konstanter ist die Stromeinspeisung über das Leitsystem“, sagt er.

Eine konstante Stromeinspeisung über einen bestimmten Zeitraum ist die Voraussetzung dafür, eine sogenannte Regelleistung bereitstellen zu können. Regelleistung rufen Netzbetreiber bei ausgewählten Stromerzeugern ab, um Frequenzschwankungen im Stromnetz auszugleichen. Wird mehr Strom benötigt, erhöhen die entsprechenden Stromerzeuger die Einspeisung. Ist zu viel Strom im Netz, drosseln sie ihre Leistung.

Die Anbieter von Regelleistung sind an ein Frequenzsignal gekoppelt. Die benötigte Leistung kann innerhalb von 30 Sekunden automatisch abgerufen werden. Regelleistung ist laut Liebelt teuer und entsprechend lukrativ für die Anbieter. Weil Konstanz und Systemsicherheit für die Netzbetreiber an oberster Stelle stehen, haben erneuerbare Energien zu diesem Markt bisher noch keinen Zugang. REStable könnte das ändern.

Bei dem Projekt sollen über das Leitsystem am Fraunhofer IWES etwa 20 Wind- und Solarparks in Europa koordiniert werden. „Ein virtuelles Messgerät simuliert Frequenzschwankungen, die einzelnen Kraftwerke werden dann so angesteuert, dass sie die Frequenzschwankung ausgleichen“, erklärt Liebelt.

Koordinierung von Anlagen

Ziel des Projekts ist es, nachzuweisen, dass durch die Koordinierung von Wind- und Solarparks sowie weiterer Anlagen der Erneuerbaren an verschiedenen Standorten in Europa eine konstantere Stromeinspeisung ins Stromnetz möglich ist. Das wiederum könnte dazu beitragen, dass Erzeuger von erneuerbarer Energien künftig auch als Anbieter von Regelleistungen infrage kämen. Das könnte sich laut Liebelt möglicherweise auch günstig auf die Entwicklung der Strompreise auswirken.

Der zunehmende Anteil an erneuerbaren Energien in der Stromversorgung führt dazu, dass konventionelle Anlagen immer häufiger abgeschaltet werden. Experten gehen davon aus, dass Windenergie-, Solarund Biogasanlagen die Dienstleistungen zur Frequenz- und Spannungshaltung im Stromnetz in Zukunft vermehrt übernehmen.


Stichwort: Regelleistung

Bei der Regelleistung unterscheidet man drei Arten: Die Primär-Regelleistung wird automatisch innerhalb von 30 Sekunden abgerufen. Die Anbieter sind direkt an ein Frequenzsignal gekoppelt. Die Sekundär-Regelleistung ergänzt die Primär-Regelleistung und wird vom Netzbetreiber zusätzlich abgerufen, wenn die Primär-Regelleistung zum Ausgleich von Frequenzschwankungen nicht ausreicht. Die Minutenreserve wird dann abgerufen, wenn länger anhaltende Frequenzschwankungen abzusehen sind. (pmk)


Hintergrund: 3,5 Mio. Euro gibt es für das Projekt

Das Fraunhofer-Kooperationsprojekt REStable ist vor Kurzem mit dem Deutsch- Französischen Innovationspreis für Erneuerbare Energien ausgezeichnet worden. Das Projekt ist auf drei Jahre angelegt und mit einem Projektbudget von etwa 3,5 Millionen Euro ausgestattet. Das deutsche Budget beläuft sich auf etwa eine Million Euro, von denen 600 000 Euro das Bundeswirtschaftsministerium als Förderung übernimmt, den Restbetrag teilen sich die Projektpartner, insbesondere SolarWorld und Enercon. Derzeit läuft die Vorbereitungs- und Planungsphase. Das Projekt basiert auf dem deutschen Forschungsprojekt „Kombikraftwerk 2“, bei dem das Fraunhofer IWES bereits die Bereitstellung von Regelleistung mit regenerativen Energieanlagen für den Ausgleich von Frequenzschwankungen im Stromnetz zeigen konnte. Jetzt findet das Ganze auf europäischer Ebene statt. (pmk)


HNA, 15.08.2016, von Mirko Konrad