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Nordhessens Silicon Valley
 

Die Region gilt als eine der innovativsten in Europa – Science Park als Ort für Ideen und junge Unternehmen

Nein, es ist keine Garage wie bei Apple-Gründer Steve Jobs. Aber beim Blick in das Büro von „betterspace“ im Kasseler Science Park fühlt es sich schon ein wenig nach jungem, wilden Unternehmen an: Kisten stapeln sich im Flur, die Schreibtische mit zwei Bildschirmen sind mit Kaffeetassen, Nippes und Kabelwirrwarr verziert – Menschen unter 30 sitzen an den Rechnern und sind tief im Bürostuhl versunken. Mitten drin Benjamin Köhler, einer von vier Gründern des Unternehmens. Oder wie man heute sagt: des Startups.

 

Jung, kreativ, entspannt
Vor dem Büro im Erdgeschoss des Kasseler Science Parks setzt sich der 28-Jährige auf einen Stein. Locker mit T-Shirt und Sneakers gekleidet,berichtet der Wirtschaftswissenschaftler von seiner Firma, die 17 Personen beschäftigt – davon viele Studenten. Die  Hälfte ist fest angestellt. Die Firma hilft zum Beispiel Hotels, Energie einzusparen: Vereinfacht gesagt wird intelligent und automatisch die Heizkörpertemperatur reguliert, wenn etwa erkannt wird, dass ein Fenster im Hotelzimmer offensteht. „Wir können so fast 31 Prozent der Energie einsparen“, sagt Köhler. Bares Geld. Hotels aus der Region wie Grischäfer gehören zu den Kunden des Startups, das im Dezember 2015 in den Science Park zog.


Kassel statt Berlin 
Doch warum sind Köhler und seine Leute nicht in vermeintlich angesagtere Städte wie Berlin gegangen? „Uns haben Experten geraten: Bleibt in Kassel. Hier findet hier die Programmierer und Mitarbeiter, die ihr braucht. In Berlin ist der Markt abgegrast.“ Eine nicht unwesentliche Rolle für ihre Entscheidung, in Kassel zu bleiben, hat dann auch der Science Park selbst gespielt – der wird von Stadt, Land und Uni Kassel finanziert. Denn hier soll sich eineKultur der Gründerszene entwickeln: Und die ist spürbar. Jeden Dienstag organisiert der Science Park ein Treffen: Dann referiert ein Redner zu einem Thema – zum Beispiel der „fail night“. Unternehmer berichten dann von Misserfolgen und wie es weiter ging. Die Themen wechseln. Wichtig sei, dass die verschiedenen Unternehmen im Science Park zusammen kommen, sich austauschen, voneinander lernen und im besten Fall zusammenarbeiten, sagt Science-Park- Geschäftsführer Jörg Froharth. Die äußeren Bedingungen für kreative Atmosphäre sind nicht schlecht: Hell und neu sind die Gänge und Büros im Science Park. In allen Etagen stehen Tischkicker. Die Kreativität fördern soll eine Ideenwerkstatt – dort findet man zum Beispiel eine Bühne, um schnell Ideen zu präsentieren und zu diskutieren. Fast 75 Prozent der 6000 Quadratmeter sind ein Jahr nach der Eröffnung bereits vermietet. „Damit liegen wir über den Erwartungen“, sagt Froharth. Die Nachfrage ist groß.


Weg in den Park
Idealtypisch kann der Weg in den Science Park so verlaufen, dass Studenten eine Idee entwickeln, an der Uni dazu forschen, sich dann zum Beispiel über die Kasseler Gründungsberatung „Unikat“ für ein Gründerstipendium bewerben. Entwickelt sich die Idee mehr zu einem Unternehmen und gibt es erste Kunden, können die Gründer sich in den Science Park einmieten und erhalten dort weitere Unterstützung. Etwa bei der Unternehmens- und Finanzberatung, erklärt Geschäftsführer Froharth. „Man muss nicht in den Science Park, aber es gibt hier eben viele Vorteile“, sagt der 50-Jährige.


Die Nähe zur Uni
„Wir haben viele Studenten, die bei uns ihre Bachelor- oder Masterarbeit schreiben“, sagt Nicolò Martin, Marketingleiter der Firma Enercast. Die Firma ist größter Mieter im Haus. Ihr Geschäftsmodell: professionelle Wetterprognose-Systeme für die Energiewirtschaft. 25 Mitarbeiter sind dort beschäftigt. „Man bekommt hier mehr Impulse für die Arbeit“, sagt Enercast- Mitarbeiter Martin. „Viel eher als in einem normalen Gewerbegebiet.

 

Von Max Holscher, HNA, 31.08.2016