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Firma Esterer aus Helsa baut Tankwagen für Straßen und Rollfelder auf der ganzen Welt
 

Wohin man auf der Welt auch fliegt: Die Firma Esterer ist schon da. Zumindest ihre Produkte. In 70 Ländern dieser Erde vertraut man auf die Qualität aus Nordhessen. Als Weltmarktführer bei Flugzeugbetankungswagen ist man stolz auf das Erreichte – und hochmotiviert, den Wettbewerb in Schach zu halten.

Helsa. Pamm! Pamm! Pamm! dröhnt es durch die große Halle. Pamm! Pamm! Pamm! Immer wieder. Der Ursprung der Hammerschläge muss in dieser matt-schimmernden Röhre zu änden sein. „Das ist ein harter Job“, schiebt Julia Esterer zwischen zwei Hammersalven ein. „Da habe ich höchsten Respekt vor“, unterstreicht die Geschäftsführerin von Tankwagenbau-Estererund wirft dem Mitarbeiter anerkennende Blicke zu. Er lächelt. Hören kann er seine Che?n nicht. Die Stöpsel in den Ohren dämpfen Lob und Lärm, als er mit wuchtigen Schlägen Schallschutzwände und Hinterwand durch die Aluminiumröhre an ihre vorgesehenen Stellen treibt. Bis zu 85.000 Liter Kerosin kann so ein Tank fassen. Bis er, in Wunschfarbe lackiert, vereint mit der Karosse des Trägerfahrzeugs und mit modernster Filter- und Pumpentechnologie ausgestattet, den Kunden zur Endabnahme vorgeführt wird, werden noch einige Wochen vergehen.

 

„Vier bis sechs Wochen Zeit braucht es, um einen Straßentankwagen zu fertigen, acht bis zehn Wochen, um einen für das Flugfeld fertigzustellen“, sagt Julia Esterer. Ein bis zwei Tankwagen gehen pro Woche an Flughäfen auf der ganzen Welt, vier bis fünf Straßentankwagen verlassen pro Woche das Firmengelände in Helsa. Dort, wo Großvater Ulrich Esterer im Jahr 1955 mit der Übernahme eines Esso-Reparaturbetriebs den Grundstein für das Unternehmen legte und zunächst die Tanks im typisch kofferförmigen Design fertigte und mitsamt Pumpentechnik auf Pritschenwagen montierte.

 

Zurück ins Heute und in die Montagehalle, wo die Aluminium-Rohlinge der beiden Esterer-Geschäftsfelder eines ihrer wichtigsten Unterscheidungskriterien präsentieren: Der eine in Seitenansicht parallel, der andere mit dreifachem Keil zur Unterseite. Wasser, schwerer als Kerosin, wird sich hier sammeln und kann direkt abgezapft werden. Auch später beim Pumpvorgang werden spezielle Filter dafür sorgen, dass kein Tropfen Wasser in einen Flugzeugtank gerät. „Das könnte gefährliche Folgen bis hin zu einem Triebwerksausfall haben“, sagt Julia Esterer.

 

Das Vertrauen in die Esterer-Technik ist auch ein Garant für den Unternehmenserfolg. Ohne Kontrolle geht es nicht. Hauseigene Röntgengeräte kontrollieren die Schweißnähte, die Tanks durchlaufen eine ganze Reihe von Dichtigkeits- und Druckprüfungen. Und im Einsatz muss der Tankwart die Probe beim Tankvorgang in Augenschein nehmen. Erst wenn die okay ist, fließen die vielen tausend Liter Kerosin in die Tragflächen. Drückt der Tankwart dabei nicht alle 90 Sekunden den „Totmann-Knopf“, stoppt der Tankvorgang sofort. Und ist der Schlauch noch im Flugzeug und nicht wieder im Fahrzeug eingerastet, ist ein Bewegen des Tankwagens unmöglich. Im Zuge der Umstellung auf die Fließfertigung haben sich bei Esterer die Durchlaufzeiten in der Montage erheblich verringert.

 

„Zwar benötigt man auf dem Flugfeld keine Straßenzulassung – die Sicherheitsauflagen, die unsere Fahrzeuge erfüllen müssen, sind jedoch sehr streng“, erklärt Esterer eine der vielen Herausforderungen, denen sich die 180 Mitarbeiter des Unternehmens jeden Tag stellen müssen. Eine andere sind die individuellen Wünsche der Auftraggeber. „Das fängt mit persönlichen Vorlieben von Klein-Unternehmern an ihren Tankwagen an, geht über die klimatischen Anforderungen unterschiedlicher Einsatzorte auf der Welt weiter und endet nicht zuletzt mit den Bestimmungen der Aufsichtsbehörden der Länder oder Flughäfen.“

 

Um die Produktion zu verschlanken, setzt man bei Esterer seit einigen Jahren auf standardisierte Module, die ganz nach Kundenwunsch bestückt werden können. Auch der Bedienschrank, der die Technik an der Fahrzeugseite beinhaltet, ist dank der Entwicklung eines Schienensystems modular zu bestücken. „Das spart viel Zeit und senkt die Kosten“, freut sich Julia Esterer. Überhaupt sind es die Innovationen aus Helsa, die die Branche aufhorchen lassen – und den Wettbewerb in Schach halten. Die mit dem IF Design Award prämierten Seitenblenden bieten nicht nur praktische Features, sie lassen die Tankwagen auch weniger klobig aussehen. Als der A380 in Betrieb genommen wurde, stellte die Firma Esterer als Weltneuheit einen schlauchlosen Hydranten-Dispenser vor für die speziellen Anforderungen und hohen Leistungen von über 4.000 Litern pro Minute bei der Betankung von Großflugzeugen.

 

Und der jüngste Clou aus Helsa dürfte im wahrsten Sinne des Wortes aufhorchen lassen: Ein elektrisch angetriebenes Betankungssystem, bei dem der hochtourig laufende Diesel zum Schweigen verdonnert wird. Vor Ort keine Emission, kein Lärm, kein Verbrauch. „Das sind Argumente, die nicht nur auf dem Flugfeld zählen – eine Umfrage hat ergeben, dass der Endabnehmer 1 Cent pro Liter mehr zahlen würde, wenn er auf diesem Wege mit Heizöl beliefert wird“, informiert Julia Esterer.

 

Vor zwei Jahren startete man die Entwicklung, vor kurzem wurde der erste Wagen im Einsatz für Shell auf dem Flughafen Stuttgart mit offzieller Feuerwehr-Taufe in Betrieb genommen. Das macht Julia Esterer stolz, die vor dem Eintritt in den väterlichen Betrieb das Marketing von BMW und Mini für die Region Asien leitete. Für sie war es ganz sicher der richtige Schritt, vom Großkonzern zu einem Zwerg gewechselt zu sein, der ein wahrer Riese ist.

 

Und die Tatsache, dass sie als verheiratete Vollzeitunternehmerin und Mutter zweier Söhne nicht mehr die Zeit findet, sich die Nägel wie zu ihrer Zeit als Marketing-Managerin zu lackieren, ist eher amüsierte Randbemerkung als echtes Bedauern. Den Themen der Zukunft, Digitalisierung und Fachkräftemangel, blickt sie ganz entspannt entgegen.

 

Für ersteres gibt es schon jede Menge Pläne, zweiteres ist aus guter Firmentradition heraus kein großes Thema: „Wir kümmern uns um unsere Mitarbeiter. Und unsere Heimatverbundenheit hat sich ausgezahlt. Möglicherweise winkt ein externer Bewerber mal ab – aber jene, die sich herbemühen, bleiben auch. Gerne.“

 

Extra Tip, 07.01.2018 von Victor Deutsch