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Eine Wand wie ein Sandwich
 

Kasseler Forscher entwickeln neuartige Bauteile aus Schaumbeton

Laut dem Deutschen Mieterbund fehlen in Deutschland eine Million bezahlbarer Wohnungen. Es müsste also schneller als bisher für mehr Wohnraum gesorgt werden. Die Arbeit einer Forschergruppe unter der Federführung von Prof. Dr. Bernhard Middendorf, Leiter des Fachgebiets Werkstoffe des Bauwesens und Bauchemie an der Universität Kassel, könnte den Wohnungsbau beschleunigen und zugleich nachhaltiger und umweltfreundlicher gestalten.

Im Rahmen eines Kooperationsprojekts haben die Wissenschaftler eine neuartige Wand aus Hochleistungs-Schaumbeton und ultrahochfestem Beton entwickelt. Im Betonfertigteilwerk kann sie in kürzester Zeit energiesparend in jeder gewünschten Form vorgefertigt werden – inklusive der Versorgungsleitungen, die bei der Vorfertigung in die Wände integriert werden.

Kernstück der Wand, die in ihrem Aufbau einem Sandwich gleicht, ist ein von Kasseler und Dortmunder Wissenschaftlern entwickelter Schaumbeton. Er ist extrem tragfähig und dank seiner Struktur, deren Volumen zu 60 Prozent aus Luftporen besteht, deutlich leichter als alle anderen gängigen Betone. Außerdem zeichnet er sich durch eine sehr geringe Wärmeleitfähigkeit aus. „Wir erreichen
mit unserer Wand die gleichen Werte wie die gängigen Wärmeverbundsysteme“, sagt Middendorf.

„Die Herausforderung war, die richtige Mixtur für den Schaumbeton herauszufinden“, berichtet Doktorandin Cristin Umbach. Das Aufschäumen des Betons erreichten die Forscher, indem sie einem sehr fließfähigen und feinkörnigen Beton Aluminiumpulver hinzugaben. Das Metall reagiert in dem Zement-, Sand- und Wassergemisch. Dabei bildet sich Wasserstoff, der für die Blasen im Schaumbeton sorgt, welcher dann wie normaler Beton aushärtet. „Man kann sich diesen Prozess wie bei einem aufgehenden Hefeteig vorstellen“, erläutert Middendorf.

Die Kasseler Forscher experimentierten so lange, bis der Beton die gewünschten Eigenschaften aufwies. Middendorf hat mit seinem ehemaligen Kollegen Prof. Armin Just auf diesen „Ultraporcrete“ bereits ein Patent angemeldet. Der in Kassel entwickelte Schaumbeton, auf den anschließend ultrahochfester Beton als Schutzschicht aufgebracht wird, hat laut Middendorf noch weitere Vorteile: Dank seiner Robustheit hat er eine sehr lange Lebensdauer und kann später umweltfreundlich recycelt werden, da er ausschließlich aus mineralischen Komponenten besteht und ohne ein zusätzliches Wärmeverbundsystem auskommt, dass in der Entsorgung nicht unproblematisch ist. Weiterhin benötige man für das Abbinden des Schaumbetons weder Druck noch Hitze.

Da die Sandwich-Wände relativ leicht seien, eigneten sie sich auch zur Aufstockung von Bestandsgebäuden. Nun hoffen die Wissenschaftler, dass sie ihre Sandwich-Wände zukünftig auf Baustellen sehen.

Hintergund:

200 000 Euro für die Uni Kassel

Das Forschungsprojekt „Dauerhafte und wärmedämmende andelemente aus Fertigteil-Hybriden aus  ultrahochleistungsbeton und chemisch aufgetriebenem und lufterhärtendem mineralischen Schaumbeton“ wurde mit 405 000 Euro durch die Forschungsinitiative ZukunftBau gefördert. Von der Fördersumme flossen 200 000 Euro an die Uni Kassel. Im Projekt haben auch das Team von Prof. Dr.-Ing. Ekkehard Fehling, Fachgebiet Massivbau an der Uni Kassel, Prof.-Ing. Dr. Armin Just von der Bochumer EBZ Business School und die Firma Hentschke Bau GmbH aus Bautzen mitgearbeitet.

HNA, 24.06.2019, von Peter Dilling